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Um einen PR-Gag handelt es sich definitiv nicht. An verschiedenen Stellen in Deutschland sind im Jahr 2018 Hyalomma-Zecken gefunden worden, die nicht bei uns, sondern rund um das Mittelmeer oder sogar mitten in Afrika beheimatet sind (RKI, 2019). Gibt es dafür plausible Gründe oder handelt es sich um ein schwer erklärbares Phänomen?

Grundsätzlich ist festzustellen, dass 2 Arten dieser Hyalomma-Zecken alljährlich mit Zugvögeln im Frühjahr aus südlichen Gefilden nach Mittel- und Nordeuropa gelangen. Das hungrige Larvenstadium befällt im März im Süden auch Zugvögel, die sich genau in dieser Jahreszeit auf den Weg nach Norden aufmachen.

Ist die Larve nach einer mehrtägigen Blutmahlzeit satt, verlässt sie den Wirt nicht, sondern entwickelt sich noch auf dem Wirt zur Nymphe, dem nächsten Entwicklungsstadium.

Die Nymphe nimmt ihre Blutmahlzeit, die ebenfalls mehrere Tage in Anspruch nimmt, auf demselben Wirt ein. Erst die vollgesogene Nymphe verlässt diesen Wirt, um sich am Boden zur erwachsenen Zecke zu entwickeln.

Die Verweildauer einer Hyalomma-Zecke als Larve und Nymphe auf dem Vogel beträgt bis zu etwa 4 Wochen. In dieser Zeit kann ein Zugvogel vom Mittelmeer aus Mittel- und Nordeuropa erreichen, d.h., gesogene Nymphen erreichen in jedem Jahr in großer Zahl Orte weit nördlich ihres „normalen“ Verbreitungsgebietes. Sie fallen dort aber nur äußerst selten auf, weil es im Frühjahr im Norden für sie in der Regel zu kühl ist, um sich zur erwachsenen Zecke zu entwickeln. Alle oder fast alle diese Zecken gehen dann früher oder später ein. Nur sehr vereinzelt wurden erwachsene Hyalomma-Zecken in den letzten Jahren in Deutschland gefunden.

Warum kam es nun gerade im Jahr 2018 zu häufigen Funden von Hyalomma-Zecken in Deutschland?

Laut Deutschem Wetterdienst war das Jahr 2018 das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 und zudem äußerst niederschlagsarm. Die langjährigen monatlichen Durchschnittstemperaturen wurden von April bis Oktober um 1,5−4°C übertroffen. In den für die Weiterentwicklung der neu angekommenen Hyalomma-Zecken besonders kritischen Monate April und Mai entsprach das Wetter dem in Südfrankreich, wo Hyalomma-Zecken natürlicherweise vorkommen.

Diese außergewöhnliche, über Monate stabil anhaltende Wärmephase war ideal für die auf warme Frühjahrs- und Sommertemperaturen eingestellten Hyalomma-Zecken. Die ebenfalls herrschende Trockenheit machte ihnen nichts aus. Die in Deutschland angelandeten gesogenen Hyalomma-Nymphen konnten sich offenbar in großer Zahl zu erwachsenen Zecken entwickeln und befielen hier große einheimische Säugetiere wie Pferde, Rinder, Schafe und vermutlich auch Rehe und Hirsche. Die bekanntgewordenen Fälle dürften dabei nur die Spitze des Eisberges darstellen. Die meisten vorhandenen erwachsenen Hyalomma-Zecken in Deutschland werden unbemerkt geblieben sein. Die am intensivsten betreuten Großsäuger bei uns sind Pferde, und es ist deshalb auch kein Zufall, dass die meisten Hyalomma-Zecken auf Pferden gefunden wurden.

Nach der etwa einwöchigen Blutmahlzeit verlässt das vollgesogene Hyalomma-Weibchen den Wirt, um am/im Boden die Eier abzulegen. Die große Frage ist, ob die Temperaturen 2018 auch ausgereicht haben, dass sich aus den Eiern Larven entwickeln konnten und ob ungesogene erwachsene Hyalomma-Zecken den Winter bei uns überlebt haben. Grundsätzlich können Hyalomma-Zecken kalte Winter überleben. Das zeigen ihre Vorkommen in der Türkei und auch nördlich des Schwarzen Meeres. Leider wissen wir zu wenig über die Biologie dieser Zecken, wie der Lebenszyklus an die Jahreszeiten angepasst ist, welches die Überwinterungsstadien sind und wie flexibel diese Zecken diesbezüglich sein können.

Die Hyalomma-Zecke als Krankheitsüberträger

Hyalomma-Zecken sind die Hauptüberträger des sog. Krim-Kongo-Hämorrhagischen-Fieber-Virus, das eine ernste Erkrankung beim Menschen auslösen kann. Unter den zahlreichen Hyalomma-Zecken, die alljährlich nach Mittel- und Nordeuropa vordringen, waren mit Sicherheit auch einige infizierte Zecken. Die von ihnen bevorzugt befallenen Großsäuger erkranken an dieser Infektion nicht. Infizierte Tiere sind also nicht auffällig, aber sie tragen das Virus eine gewisse Zeit in sich und ihre Körperflüssigkeiten sind für den Menschen hochinfektiös. Zum Glück sind bisher keine Erkrankungen beim Menschen vorgekommen.

Die spannende Frage ist, ob Hyalomma-Zecken vom letzten Jahr den vielerorts milden Winter überlebt haben und ob sie auch im Jahr 2019 bei uns das Erwachsenenstadium erreichen werden. Das hängt weitgehend vom Wetterverlauf ab. Vorbeugend eingreifen können wir nicht, da sich das alles für uns im Verborgenen abspielt.